Spritzblasen und Spritzstreckblasen

– wird unter dem Überbegriff „Spritzblasformen“ für die wirtschaftliche Herstellung von Hohlkörpern und Weithalsbehältern mit passgenauem Mündungs-/Dichtungsbereich und einem Volumen von 2 ml bis 1 l eingesetzt

Oft vorzufindende Anwendungen sind Behältnisse im Kosmetik- und Hygienebereich (Shampooflaschen, Cremedosen) sowie kleine Fläschchen für flüssige oder rieselfähige Arzneimittel.

Das Spritzblasen ist ein effizienter Verarbeitungsprozess, bei dem zunächst ein Preform spritzgegossen und anschließend unter Nutzung der Restwärme zum Endprodukt umgeformt wird. Eine klassische Spritzblasmaschine besteht aus drei Stationen (siehe Abbildung 1). In der ersten Station wird der Preform hergestellt und bis in den thermoelastischen Bereich des jeweiligen Kunststoffes abgekühlt. Nach dem Öffnen der Kavität verbleibt der Spritzling auf dem sog. Transport- bzw. Blasdorn und wird in die zweite Station, die Blasform transferiert. In der Blasform findet mithilfe von Pressluft das eigentliche Umformen zum Fertigteil statt. Der dritten Station kann nach dem Erreichen der Entformungstemperatur das fertige Blasformbauteil entnommen werden.

Spritzblasformen
Abbildung 1: Spritzblasformen

Aktuell werden in der Spritzblastechnik neben den Standardkunststoffen (PE, PP etc.) auch technische Kunststoffe (COC, PC oder COP) verarbeitet, deren Verarbeitbarkeit allerdings aufgrund unzureichender Viskosität beim Extrusions blasen begrenzt ist. Erfahrungsgemäß sind die Extrusions- bzw. Thermoformtypen, die in der Verpackungsindustrie eingesetzt werden, für das Spritzblasen besonders gut geeignet. Diese Materialien weisen in der Regel ein gutes dehnrheologisches Verhalten während des Umformvorganges auf, was für das Erreichen einer konstanten Wanddickenverteilung ausschlag gebend ist. Aufgrund einer derzeit noch geringen Verfügbarkeit von spritzblasfähigen Biokunststofftypen, wird auf entsprechende Extrusions- oder Extrusionsblasformtypen zu rück gegriffen. Eine Übersicht der für das Spritzblasen geeigneten Biokunststoffe ist in Tabelle 1 angegeben.

Tabelle 1: Untersuchte und für das Spritzblasen geeignete Biokunststoffe
Polymer Hersteller Typ Ρ [g/cm3] MFI [g/10 min]
HDPE Braskem SGF 4960 0,961 0,6 (210 °C, 2,16 kg)
PLA NatureWorks Ingeo 7001D 1,23 14,7 (210 °C, 2,16 kg)
PBS Showa Denko Bionolle 1001MD 1,26 1,3 (190 °C, 2,16 kg)
PBSA Showa Denko Bionolle 3001MD 1,26 3 (190 °C, 2,16 kg)
PLA+PBAT BASF Ecovio T2308 1,26 7,8 (190 °C, 2,16 kg)

Die durchgeführten Untersuchungen an zahlreichen Biokunststoffen zeigen, dass nahezu alle für Folien- bzw. Blasfolienextrusion entwickelten Typen im Spritzblasprozess einsetzbar sind. Für ein optimales Ausformen des Preforms zum Hohlkörper sowie eine konstante Wanddickenverteilung im fertigen Erzeugnis sind jedoch optimale Temperaturverhältnisse in der Spritzgießkavität notwendig. Diese können nur durch eine reaktionsschnelle Zonen-Temperierung gewährleistet werden. Dabei sollen die Temperaturen der oberen und der unteren Formhälfte unabhängig voneinander zonenweise einstellbar sein. Bei nicht symmetrischen Hohlkörpern muss entlang des Umfangs gezielt ein Temperaturprofil aufgeprägt werden, um konstante Wanddickenverteilung über den Umfang erreichen zu können.

Spritzgeblasene Nuckelflaschen aus Biokunststoff (v. l. n. r.: Bio-PE, PLA, PBS)
Abbildung 2: Spritzgeblasene Nuckelflaschen aus Biokunststoff (v. l. n. r.: Bio-PE, PLA, PBS)

Zusätzliche Schwierigkeiten beim Spritzblasen von Biokunststoffen bereitet die vergleichsweise hohe spezifische Wärmekapazität und die niedrige Wärmeleitung von Biokunststoffen, insbesondere der biobasierten Polyester. Der passiv temperierte Transportdorn nimmt im Spritzgießprozess kontinuierlich Wärme auf, gibt jedoch nur einen Teil dieser Wärme im zweiten und dritten Prozessschritt an die hindurchströmenden kalte Blasluft ab. Die verbleibende Wärmedifferenz ermöglicht eine annähernd konstante Dorntemperatur, die jedoch weit höher ist als die Temperatur der Werkzeugaußenwand. Dieser Umstand erschwert die Prozessführung erheblich und spiegelt sich im schwankenden Temperaturprofil des Preforms, einer inhomogenen Wanddickenverteilung sowie langen Prozesszeiten wider.

Zusammenfassung

Zahlreiche hochviskose und extrusionsfähige Biokunststoffe können im Spritzblasprozess zu Hohlkörpern in guter Qualität verarbeiten werden. Aufgrund der relativ hohen Permeabilitätswerte für Gase (CO2 und O2), Aromen und Feuchtigkeit sowie der Unbeständigkeit gegenüber vielen organischen Lösungsmitteln (Ethanol, Di- oder Trichlormethan) ist der Einsatzbereich für biobasierte Polyester und deren Compounds jedoch stark eingeschränkt. Aktuelle Entwicklungen beim Spritzblasen von Biokunststoffe gehen deswegen in Richtung mehrschichtiger Kunststoffbehälter. Mit einer dünnen Barrierezwischenschicht oder -innenschicht aus beispielsweise biobasiertem Polyamid 11 und Deckschichten aus weich- bzw. schlagzähmodifiziertem PLA kann ohne haftvermittelnden Schichten ein nahezu vollständig biobasiertes und transparentes Behältnis umgesetzt werden, welches das Potenzial zur Substitution von Flaschen aus PC oder COC besitzen könnte. Der Flascheninhalt kann dadurch vor UV-Strahlung, Wasserdampf, O2 oder CO2 sicher geschützt und die Leistungsfähigkeit zusätzlich verbessert werden. Desweiteren kann die neue Mehrschichttechnik für Biokunststoffe perspektivisch den Zugang zu den pharmazeutischen und kosmetischen Anwendungen eröffnen, bei denen chemische Beständigkeit sowie Sterilisierbarkeit mit heißem Dampf, energiereicher Strahlung oder Ethylenoxid unabdingbar sind.

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