Haftungsverhalten

– Verbunde aus thermoplastischen Elastomeren (TPE) und harten Thermoplasten sind allgegenwärtig. Ihren Einsatz finden Sie vor allem dort, wo ein Soft-Touch-Effekt, Griffigkeit oder eine Sicherung gegen Verrutschen erforderlich sind.

Auch bei Bauteilen die in Kontakt zu flüssigen Medien oder Feuchtigkeit stehen, werden häufig TPEs für Abdichtungen verwendet, um Dichtungsgeometrien direkt in einem Fertigungsschritt anzuspritzen. Weiterhin ermöglicht die fortschreitende Materialentwicklung und -optimierung von TPEs zunehmend den Einsatz auch in weiteren Anwendungsgebieten, wie z. B. für Schwingungs- und Dämpfungselemente, die zuvor vernetzten Elastomeren vorbehalten waren.

Für alle genannten Anwendungen ist eine anwendungsspezifische, ausreichende Verbundhaftung zwischen den Hart- und Weichkomponenten notwendig. Welche Haftung sich zwischen den Kontaktpartnern ausbildet und welche Eigenschaften ein Verbund aufweist, kann im Vorfeld aufgrund mehrerer potenziell wirksamen Haftungsmechanismen meist nur unzureichend abgeschätzt werden. Eine reproduzierbare und absolut vergleichbare Methode zur Ermittlung der Verbundeigenschaften ist damit sowohl im Bereich der Materialentwicklung wie auch bei der Auswahl von Materialpaarungen für Serienprozesse/-produkte von großer Wichtigkeit.

Bei den im Rahmen dieser Arbeiten untersuchten Biokunststoffen handelt es sich um kommerziell erhältliche Biokunststoffe mit entsprechender Marktrelevanz. Die untersuchten Materialien sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Tabelle 1: Übersicht der im Abschnitt Haftung untersuchten Hartkomponenten
Material Hersteller Typ
PLA NatureWorks Ingeo 3251D
PLA FKuR Bio-Flex S 9533
PHB Metabolix Mirel P1004
PLA Tecnaro Arboblend 2628V
Lignin Tecnaro Arboblend LV100
PLA RTP RTP 2099 X 124790 E
CA Albis Cellidor B500-10
CP Albis Cellidor CP 400-10
PA 1010
(100 % biobasiert)
Evonik Vestamid Terra DS16
PA 410 (biobasiert) DSM EcoPaXX
PE (biobasiert) Braskem Green PE SHC7260
Tabelle 2: Übersicht der im Abschnitt Haftung untersuchten Weichkomponenten
Materialklasse Typ
TPE-S 01 TPE-S, modifiziert für PC/ABS-Haftung
TPE-S 02 TPE-S, modifiziert für PLA/CP/CA-Haftung
TPE-S 03 TPE-S, modifiziert für PA10/10-4/10-Haftung
TPE-V TPE-V, mod. PC/ABS-Haftung
TPE-E TPE-E, Standardtype
TPE-E 01 TPE-E, teilw. biobasiert
TPE-E 02 TPE-E, teilw. biobasiert
TPE-U TPE-U, teilw. biobasiert
Bio-TPE 01 Biobasiertes TPE, polar
Bio-TPE 02 Biobasiertes TPE, unpolar

Untersuchung

Die Bewertung der Verarbeitbarkeit und Kompatibilität der eingesetzten Kunststoffkombinationen war mit Hilfe eines 2-Komponenten-Schälprüfkörpers möglich, welcher zusammen mit dem zugehörigen Spritzgießwerkzeug speziell für derartige Fragestellungen entwickelt wurde. Als Prüfmethode kam eine Schälprüfung mit Schlittenführung zum Einsatz, die neben der Messung der dehnungsüberlagerten Schälkraft (Traversenweg der Zugprüfmaschine) zusätzlich den tatsächlichen Schälweg (Schlittenweg) erfasste.

2K-Schälprüfkörper
Abbildung 1: SKZ – 2K-Schälprüfkörper

Die Herstellung der Prüfkörper erfolgte in einem vollautomatischen Spritzgießzyklus mit Entnahme der Prüfkörper durch ein Handlinggerät zur Gewährleistung eines konstanten Spritzgießprozesses. Mittels einer umfassenden Werkzeugsensorik und einem Inline-Thermografie-System konnte eine hohe Prozesskonstanz und Reproduzierbarkeit sichergestellt werden.

Neben Bauteilen aus einem 2K-Zyklus und dem Überspritzen von separat hergestellten „erkalteten Hartteilen“ waren Versuche mit variothermer Temperierung zur Beeinflussung der Verbundhaftung Bestandteil der Spritzgießarbeiten. Die Ermittlung der Kennwerte erfolgte nach 24 Stunden sowie nach 240 Stunden Lagerung im Normklima und nach einer Warmlagerung der Prüfkörper, um das Langzeitverhalten der hergestellten Verbunde zu beurteilen.

Auszug geprüfter Hart/Weich-Kombinationen nach 24-stündiger Lagerung
Tabelle 3: Auszug geprüfter Hart/Weich-Kombinationen nach 24-stündiger Lagerung

Zusammenfassung

Bisher konnten im SKZ mehrere hundert konventionelle Materialkombinationen und Versuchsreihen innerhalb von Forschungs- und Industrieprojekten erfolgreich hergestellt und geprüft werden. Die Arbeiten im Rahmen des FNR-Projektes umfassten mehr als 80 weitere Materialpaarungen bei denen mindestens ein Biokunststoff je Kombination seine Verwendung fand. Die Ergebnisse zeigen, dass schon jetzt eine große Anzahl möglicher Hart/Weich-Kombinationen mit biobasierten Kunststoffen möglich ist und diese sich in Ihren (Haftungs-)Eigenschaften ähnlich wie Verbunde aus konventionellen, verfügbaren Thermoplast/TPE-Kombinationen verhalten.

Als großer Vorteil zur Auswertung der gemessenen Schälkraft/ Weg-Kurven stellte sich die Messung des Schlittenwegs (tatsächlicher Schälweg) heraus, mit dem sehr viel effizienter und präziser gearbeitet werden konnte als mit dem Traversenweg. Vorallem die Vergleichbarkeit von sehr unterschiedlichen Materialkombinationen (z. B. bei stark unterschiedlichen Kraft niveaus und/oder Dehnungen) ist mit der Schlittenwegmessung gegeben. Ein weiterer Vorteil liegt in der möglichen direkten lokalen Zuordnung von Haftungsänderungen/-effekten entlang des überspritzen Bereichs.

Interessant sind insbesondere die Ergebnisse für die teilweise biobasierten Weichkomponenten TPE-U und TPE-E. Das auf Bernsteinsäure aufgebaute TPE-U zeigte auf allen Materialien eine sehr gute Haftung. Mit konventionellen TPE-U-Typen ist diese Festigkeit nicht oder nur schwer erreichbar. Im Gegensatz dazu war keine Haftung bei den untersuchten TPE-E-Typen erreichbar, die ebenso wie die PLAs der Gruppe der Polyester zugehörig sind.

Die variotherme Temperierung von Werkzeugen bzw. Werkzeugteilbereichen, die für die Abformungen von Mikrostrukturen, der Verbesserung der Oberflächengüte von geschäumten oder faserverstärkten Bauteilen sowie zur Verbesserung von Bindenähten einsetzbar ist, eignet sich ebenfalls zur Steigerung der Verbundhaftung von Mehrkomponentenbauteilen. Je nach Materialkombination ist damit eine deutliche Verbesserung realisierbar.

Weiterführende Untersuchungen zur Verarbeitbarkeit und den (Gebrauchs-)Eigenschaften zeigten, dass die auf dem Markt verfügbaren biobasierten Polymere für künftige Produkte eine sinnvolle Alternative darstellen. Diese Materialien befinden sich mittlerweile in der dritten bzw. vierten Entwicklungsgeneration, sodass frühere Einschränkungen beispielsweise bezüglich der Scherempfindlichkeit, thermischen Schädigungen (Verweilzeit), Fließfähigkeit und Entformbarkeit keine Probleme mehr darstellen. Ebenso haben sich die Materialpreise vor allem von PLA-basierten Materialien mittlerweile auf ein wettbewerbsfähiges Niveau eingependelt, mit weiterhin sinkender Tendenz.

Schauen Sie sich die Versuchsergebnisse direkt in der Datenbank an.
Zu den Ergebnissen